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#1: Wo finde ich die grüne Wiese? Fragen an die Digitalisierungsstrategie für das Gesundheitswesen und die Pflege

Das Bundesministerium für Gesundheit hat seine lang erwartete Digitalstrategie vorgestellt. Grund genug, uns unabhängig von den Interessen einzelner Kundinnen und Kunden verschiedenen Aspekten der Digitalisierungsstrategie zu widmen.

Das Bundesministerium für Gesundheit hat seine lang erwartete Digitalstrategie vorgestellt. Ein sehr dichtes Papier, das sich in seinen Konzepten, Maßnahmen und Auswirkungen wohl nur im Austausch mit den vielen Expertinnen und Experten erschließen und eröffnen wird. Diese Strategie ist für das deutsche Gesundheitssystem eine große Errungenschaft, denn sie stellt in Tiefe, Umfang und Anspruch bisherige Konzeptpapiere in den Schatten.

Wir von Miller & Meier Consulting wollen unsere Perspektive in die Diskussion einbringen. Seit über 15 Jahren beraten wir Kundinnen und Kunden aus dem Gesundheitsbereich, fast ebenso lang fehlt das Thema Digitalisierung in keiner Präsentation und keinem Positionspapier. Ganz unabhängig von den Interessen einzelner Kundinnen und Kunden werden wir uns daher verschiedenen Aspekten der Digitalisierungsstrategie widmen und Fragen und Impulse an sie formulieren.

#1: Wo finde ich die grüne Wiese?

Bis heute konzentrierte sich die Digitalisierung im Gesundheitsbereich primär auf die „Elektrifizierung“ von Produkten, zum Beispiel mit der elektronischen Patientenakte, der elektronischen Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung, oder dem elektronischen Rezept. Mit der Digitalstrategie formuliert das BMG jetzt einen neuen Anspruch, nämlich „digital unterstützte und integrierte Versorgungspfade zu etablieren.“

Die Frage ist: Geht das in den heutigen Strukturen überhaupt, mit den immer gleichen Akteuren im engen Korsett des Sozialgesetzbuchs SGB V? Wo ist sie, die „grüne Wiese“, auf der eine digitale Gesundheitsversorgung gedacht und erprobt werden kann, und ja, wo Experimente auch mal scheitern dürfen?

Das deutsche Gesundheitssystem mit all seinen Akteuren, Ebenen, Körperschaften, Verbänden, Regelungsinhalten und Richtlinien braucht eine grüne Wiese, braucht Experimentierräume.

Noch fehlen diese Experimentierräume in der Digitalstrategie, noch werden zu wenige strukturpolitische Fragen gestellt. Leider wurden auch in dieser Legislaturperiode schon Weichenstellungen vorgenommen, die Räume verengen, statt zu ermöglichen.

Das folgende Beispiel illustriert, in welchem Spannungsverhältnis der in der Strategie formulierte Anspruch zur gesetzgeberischen Wirklichkeit steht und dass der Teufel mal wieder im Detail steckt. In der Digitalstrategie heißt es wörtlich:

„Durch Digitalisierung entstehen aber auch neue Modelle der Zusammenarbeit von Akteuren, zum Beispiel auf Plattformen, in Ökosystemen oder Kooperationsmodellen. Diese Entwicklungen werden wir eng beobachten und sinnvolle Entwicklungen, etwa die Bildung von Ökosystemen, ermöglichen.“

Warum genau hat dann der Gesetzgeber vor drei Monaten im Rahmen des Krankenhauspflegeentlastungsgesetz beim E-Rezept keine Öffnungsklausel für Plattformen oder Kooperationsmodelle erwogen, um etwas Neues zu ermöglichen? Warum werden hier keine neuen Wege beschritten?

Dies ist nur eines von vielen Beispielen, bei denen die Digitalisierung im Gesundheitssystem nur gelingen wird, wenn man Prozesse vom Kopf auf die Füße stellt.

Der erste Impuls ist daher: Jedes zukünftige Gesetz muss neue Experimentierräume definieren.