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Wann Bubatz legal? Wie die Bundesregierung Cannabis legalisieren möchte

„Gebt das Hanf frei!“ – Wird diese berühmte Forderung des verstorbenen Hans-Christian Ströbele aus dem Jahr 2002 mehr als 20 Jahre später Wirklichkeit? Wie viel ist von den ursprünglichen Reformbestrebungen der Bundesregierung im kürzlich vorgestellten Eckpunktepapier noch übrig?

Die breite Bevölkerung befürwortet die Legalisierung von Cannabis zu Genusszwecken. Auch die selbst ernannte Fortschrittskoalition hat die umfassende Legalisierung prominent im Koalitionsvertrag festgehalten. Bei diesem Thema herrscht eine selten gewordene Einigkeit in der sonst so zerstrittenen Bundesregierung. Angesichts solch eindeutiger Verhältnisse sollte man meinen, dass einer Legalisierung nichts mehr im Wege stünde. Das Eckpunktepapier der Bundesregierung ist jedoch weit von einer Legalisierung entfernt.

Eckpunktepapier der Bundesregierung

Noch im Herbst hatte die Bundesregierung gehofft, dass die deutschen Legalisierungspläne ein Vorbild für weitere Länder sein könnten und man sich zügig auf einen gemeinsamen europäischen Weg einigen werde. Da die Bundesregierung nach einer Konsultation mit der EU-Kommission von diesem Gedanken abgerückt ist, wird zunächst der Fokus auf die Entkriminalisierung gelegt. Ein Gesetzentwurf zu Cannabis-Clubs und erlaubtem Eigenbedarf soll im Mai veröffentlicht werden, im Sommer folgt ein Gesetzentwurf zu wissenschaftlichen Modellregionen. Eigentlich ist dies ein großer Schritt für die Legalisierungsbefürworter, da so erstmals Fakten geschaffen werden und die Justiz entlastet wird. Allerdings hält die Bundesregierung mit dem vorgestellten Eckpunktepapier ihre Ankündigung einer umfassenden Legalisierung nicht ein.

Parteipolitische Dimension

Auch wenn die SPD grundsätzlich eine Legalisierung befürwortet, gilt Karl Lauterbach nicht als Cannabis-Vorkämpfer. Daher hat das Prestigeprojekt im Gesundheitsministerium keine Priorität, obwohl dafür ein üppiges Budget vorgesehen ist. Es sind vor allem die Grünen und die FDP, die Druck auf Karl Lauterbach ausüben. Insbesondere für die Grünen, die in der Bundesregierung bereits einen schweren Stand haben, ist die Legalisierung ein Kernprojekt. Für beide Koalitionspartner ist das Eckpunktepapier nicht der „große Wurf“. Spannend bleibt daher, ob sich die Grünen und die Liberalen mit einer Entkriminalisierung zufriedengeben werden. Doch woran liegt es, dass von der ursprünglichen Legalisierung nur noch eine Entkriminalisierung übriggeblieben ist?

Rechtliche Bedenken

Von Anfang an gab es unter Juristen große Bedenken, dass die deutsche Legalisierung an EU-Recht und Völkerrecht scheitern könnte. Bei diesem Einwand kann es sich zwar auch um eine juristische Nebelkerze handeln, schließlich sind EU-Recht und Völkerrecht unübersichtlich, unvorhersehbar und könnten den Gesetzgebungsprozess stark verlangsamen. Gesundheitsminister Karl Lauterbach hat jedoch bei der Vorstellung des Eckpunktepapiers selbst festgestellt, dass die Legalisierungs-Hindernisse auch nach einer Abstimmung mit der EU-Kommission nicht aus dem Weg geräumt werden konnten.

Europarechtliche Aspekte

Auf europarechtlicher Ebene stellen sich das Schengen-Übereinkommen von 1985, das Durchführungsübereinkommen von 1990 und der Rahmenbeschluss zum Drogenhandel von 2004 einer Legalisierung von Cannabis zu Genusszwecken in den Weg. Die EU-Mitgliedstaaten werden darin verpflichtet, jegliche Form des Handels mit Drogen – und damit auch mit Cannabis – unter Strafe zu stellen. Deutschland würde durch eine kommerzielle Legalisierung ein EU-Vertragsverletzungsverfahren riskieren.

Völkerrechtlicher Bezug

Völkerrechtlich ist Deutschland an folgende Verträge gebunden: Das Einheits-Übereinkommen über Suchtstoffe von 1961, das Übereinkommen über psychotrope Stoffe von 1971 und das UN-Übereinkommen von 1988. Die Verträge stammen aus einer Zeit, in der ein “War on Drugs” – die Kriminalisierung von Drogen – ein angestrebtes politisches Mittel war. Diese Initiative begann in den USA und ist durch mehrere UN-Übereinkommen auf völkerrechtlicher Ebene verankert. Dementsprechend restriktiv sind die Verträge, was Anbau, Handel und Konsum von Cannabis angeht. Deutschland könnte aus den völkerrechtlichen Übereinkommen zwar austreten und unter neuen Bedingungen wieder eintreten. Jedoch ist auch die EU selbst Vertragspartei der UN-Übereinkommen von 1961 und 1988, so dass Deutschland trotz eines Austritts mittelbar an die Übereinkommen gebunden wäre.

Niederländisches Modell

Auch das niederländische Modell ist nicht praktikabel: Dort wurde Cannabis nie vollständig legalisiert, sondern wird lediglich toleriert. Zwar sind der Erwerb und Konsum für die Endverbraucher straffrei, jedoch stellen die Herstellung und Produktion schwere Straftaten dar. Ein solches Modell würde dem im deutschen Strafrecht verankerten Legalitätsprinzip widersprechen, wonach Strafverfolgungsbehörden bei jedem Anfangsverdacht ein Ermittlungsverfahren eröffnen müssen. Wenn in deutschen Coffeeshops mit Cannabis gehandelt werden würde, bestünde in jedem Fall der Anfangsverdacht der illegalen Beschaffung. Es ist kaum vorstellbar, dass der Staat hier „beide Augen zudrückt“.

Europäische Lösung

Die juristisch saubere Lösung würde darin liegen, dass sowohl Deutschland als auch die EU aus den jeweiligen völkerrechtlichen Abkommen austreten und zu neuen Bedingungen wieder eintreten. Gleichzeitig müssten auf europäischer Ebene die Verträge nachverhandelt werden, um den EU-Mitgliedsstaaten eine Legalisierung zu ermöglichen. Die Voraussetzung dafür ist ein gemeinschaftlicher politische Wille. Es bedarf jedoch noch viel Überzeugungsarbeit, um die Vertreter einer Null-Toleranz-Politik (Polen, Schweden) und liberale Kräfte (Deutschland, Niederlande, Portugal) innerhalb Europas zu einer einheitlichen Lösung zu bewegen.

Gesetzliche Rahmenbedingungen

Im Ungewissen bleiben derzeit Unternehmer, die im Zuge einer geplanten Kommerzialisierung neue Geschäftsfelder auf einem zukünftig erlaubten Cannabis-Markt erschließen wollen. Das Eckpunktepapier der Bundesregierung kann daher nur ein Zwischenschritt zu einer umfassenden Legalisierung sein. Nur mit klaren rechtlichen Rahmenbedingungen wird es möglich sein, einen Markt zu schaffen, der den Gesundheitsschutz verbessert und sowohl für Verbraucher als auch Unternehmer attraktiv ist. Um den eigenen Ansprüchen gerecht zu werden, sollte sich die Bundesregierung für eine europäische Lösung einsetzen – auch wenn dies noch einige Zeit und jede Menge politische Überzeugungsarbeit in Anspruch nehmen wird.